Erläuterungen zu Messwertabweichungen

Bei der Blutgerinnung – auch Hämostase genannt – handelt es sich um ein sehr komplexes biologisches System zum Wundverschluss. Einige Patienten sind auf gerinnungshemmende Medikamente angewiesen und somit auf eine möglichst akkurate Einstellung des INR-Wertes. Aufgrund der Komplexität des Gerinnungssystems können Patienten individuelle Unterschiede in der Aktivität der Gerinnungsfaktoren aufweisen. Zusätzlich können bei der Gerinnungsmessung methodenbedingte Unterschiede der gemessenen Gerinnungswerte auftreten, die im Folgenden kurz erläutert werden.

 

Messtechnik

Für die Gerinnungsmessung sind auf den Teststreifen sogenannte Thromboplastine aufgebracht, die die Reaktion steuern. Die unterschiedlichen Thromboplastine zur Messung der Prothrombinzeit werden anhand des WHO-Standards kalibriert und daraus der International Sensitivity Index (ISI) der jeweiligen Methode bestimmt. Auf diese Weise sollen Messungen unterschiedlicher Methoden angeglichen werden. Die Teststreifen des qLabs® Systems verwenden Innovin als Thromboplastin. Auf dem auf der Verpackung angegebenen Streifen-Code findet sich verschlüsselt die Kalibrierung (inkl. des ISI) der aktuellen Herstellungscharge wieder.
Durch die unterschiedliche Faktorensensitivität der verwendeten Reagenzien sind Abweichungen zwischen verschiedenen Geräten und Methoden nicht immer zu vermeiden [1]. Diese Faktorenempfindlichkeit wird unter anderem von dem verwendetem Thromboplastin (Kaninchen, Rind, human oder rekombinant), dem Einsatz natürlicher oder synthetischer Phospholipide und der allgemeinen Reagenzzusammensetzung beeinflusst. Reagenzien mit einem niedrigen ISI sind empfindlicher gegenüber der Aktivität der Gerinnungsfaktoren als solche mit einem hohen ISI [1, 2, 3]. Die Empfindlichkeit der qLabs® Teststreifen können Sie der Packungsbeilage entnehmen. Schon kleinste Beeinflussungen in der Aktivität der Gerinnungsfaktoren führen zu Unterschieden in den Gerinnungszeiten. Wird eine Methode mit einem System verglichen, welches weniger empfindlich für Änderungen der Faktorenaktivität ist, kann es zu Unterschieden in der gemessenen Gerinnungszeit kommen. Je höher der INR-Wert ist, desto größer können mögliche Abweichungen sein. Diese Abweichungen können bis zu 20% betragen. Dies ist nicht spezifisch für das qLabs® Elektrometer System sondern liegt an der Gerinnungsmessung selbst und tritt bei allen im Handel befindlichen Geräten sowie Laborreagenzien auf [4, 5, 6].

 

Pharmaka und Ernährung

Neben den technischen Variablen, beeinflusst unter anderem auch die Einnahme bestimmter Pharmaka – insbesondere nichtsteroidale Antirheumatika, Pyrazolonderivate, Allopurinol, Clofibrat sowie Antibiotika – die Wirkung oraler Antikoagulantien, was zu Schwankungen im INR-Wert führen kann[7,8,9]. Unter Einfluss von DOAKs/NOAK s (Direkte/Neue Orale Antikoagulantien) ist eine quantitative Angabe der Gerinnungsmessung nicht möglich, weil diese direkt gegen bestimmte Gerinnungsfaktoren wirken. Der gemessene INR-Wert gibt keinen Aufschluss über die Wirkung  und je nach DOAKs/NOAKs kann der INR-Wert stark, mäßig oder nicht verringert sein [10].Alkohol hemmt die Thrombozytenaggregation und senkt den Plasmaspiegel der drei in der Leber gebildeten Glykoproteine, Fibrinogen, van-wildebrand-Faktor und Gerinnungsfaktor VII. Von einigen pflanzlichen Stoffen ist bekannt, dass es zu Interaktionen mit Antikoagulantien kommen kann. Dazu gehören Rotwurzel-Salbei, Johanniskraut, Ginseng, Ginko und Goji-Beeren. Das in vielen pflanzlichen Produkten enthaltene Vitamin E wirkt antagonistisch zu Vitamin K, die Aktivität von Coenzym Q10 ähnelt der von Vitamin-K, während die Inhaltsstoffe der Goji-Beeren eine Blockade des Leberenzyms CYP2C9 bewirken, wodurch Phenprocoumone langsamer abgebaut werden [11, 12, 13].

 

Präanalytik und Analytik

Fehler in der Präanalytik wie eine zu große Zeitspanne zwischen Stechen und Blutauftrag können zu Messunterschieden zu der Vergleichsprobe führen. Rückstände des Desinfektionsmittels oder starkes Quetschen der Punktionsstelle (Austritt von Gewebsthromboplastin) können zur Verfälschung der Probe führen. Auch das Bewegen des Gerätes während der Messung verfälscht den gemessenen INR-Wert. In der Präanalytik der venösen Blutentnahme können ein geringer Nadeldurchmesser oder venöse Stase durch zu langes Stauen die Gerinnung aktivieren. Abweichungen im Citrat/Blut-Verhältnis, falsche Reihenfolge der Blutentnahme oder nicht ausreichendes/falsches Mischen können die Ergebnisse verfälschen.

Kommt es zu einer Messwertabweichung sollte die Messung wiederholt werden und mit dem Patienten mögliche Ursachen besprochen werden. Wenn bei einem Patienten ein Messwertversatz zwischen zwei Methoden konstant mit einem Mittelwert von beispielsweise 0,3 auftritt, kann dies ein Hinweis auf einen systematischen Unterschied sein. Um den Patienten einzustellen, sollte in diesem Fall ein gemeinsames Messsystem gewählt– vorzugweise das System mit dem der Patient öfters gemessen werden kann – und entsprechend mit diesem weitergearbeitet werden.Alternativ kann auch systematisch der Messwertversatz zwischen den beiden verwendeten Methoden bestimmt werden.

 

1. Schmitz L. I., Olson S. L., Shapiro R. S., Mc Cormick S. R., Kubic L. (1995): Failure to generate comparable International Normalized Ratio values using five different Thromboplastin Reagents in parallel studies of patients receiving Warfarin. Clin Appl Thrombosis / Hemostasis 1:142-150.

2. Cunningham M. T., Johnson G. F., Pennell B. J., Olson J. D. (1994): The reliability of manufacturer-determined instrument-specific International Sensitivity Index values for calculating the International Normalized Ratio. Am J Clin Pathol 102:128-133.

3. Ng V. L., Valdes-Camin R., Gottfried E. L., Echaves S. A., Stead A. G., Ebert R. F. (1998): Highly sensitive thrombolastins do not improve INR precision. Am J Clin Pathol 109:338-346.

4. Gosselin R. C., Owings J. T., Lin J., Wong L., Larkin E. (1997): Failure of the international normalized ratio to mitigate system and reagent biases. Blood 90 (Suppl.): 94b-95b.

5. Gosselin R., Owings J. T., White R. H., Hutchinson R., Branch J., Mahackian K., Johnston M., Larkin E. C. (2000): A comparison of Point-of Care instruments designed for monitoring oral anticoagulation with standard laboratory methods. Thromb Haemost 83:698-703.

6. Roussi J., Drouet L., Samama M., Sié P. (1994): French Multicentric evaluation of Recombinant Tissue Factor (Recombiplastin) for determination of Prothrombin Time. Thromb Haemost 72:698-704.

7. Pond SM, Graham GG, Wade DN, Sudlow G: The effects of allopurinol and clofibrate on the elimination of coumarin anticoagulants in man. Aust N Z J Med 1975; 5: 324–8.

8. Karow, Lang-Roth, Pharmakologie und Toxikologie, 25. Auflage, 2017.

9. Schmiedl S., Rottenkolber M., Szymanski J., Siegmund W., Hippius M., Farker K., Drewelow B., Hasford J., Thürman P.: Blutungskomplikationen und Leberschädigungen unter Phenprocoumon. Dtsch Ärzteblatt Int 2013; 110(14): 244-52.

10. Simeon L, Nagler M, Wuillemin WA: Neue orale Antikoagulanzien - Einfluss auf Gerinnungstests. Dtsch med Wochenschr 2014; 139(03): 94-99.

11.Lippi G, et al. Moderate Red Wine Consumption and Cardiovascular Disease Risk: Beyond the "French Paradox”. Seminars Thromb Hemost 2010;36(1):59 – 70.

12. Mousa SA. Antithrombotic effects of naturally derived products on coagulation and platelet function. Methods Mol Biol 2010;663:229 – 40.

13. Bone KM. Potential interaction of Ginkgo biloba leaf with antiplatelet or anticoagulant drugs: What is the evidence? Mol Nutr Food Res 2008;52(7):764 – 771.